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Japan im Zug – Insel Kyushu

Reisebericht 2023

Japan im Zug … (3)

Zug

Wann bietet sich denn schon einmal die Gelegenheit die Seiten eines historischen Romans lebendig werden zu sehen? Doch kaum, oder?

Ich rede hier von den Romanen „Schweigen“ von Shūsaku Endō, und „Amakusa Shiro - Gottes Samurai“ von Roland Habersetzer. Beide Romane spielen in der erst en Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Handlungsorte beider Romane sind einmal Nagasaki und dann die unmittelbar benachbarte Shimabara-Halbinsel. Beide Romane schildern die grausame Verfolgung der damals dort lebenden ca. 300 000 katholisch-römischen Christen durch den dritten Tokugawa-Shogun Iemitsu. Neben der überwiegend ländlichen Bevölkerung haben auch zahlreiche Fürsten dieser Region den katholischen Glauben angenommen. Tokugawa Iemitsu sah darin eine wachsende Gefahr, denn die Missionare brachten nicht nur einen neuen Glauben ins Land sonder auch Schulen, in denen erstmals interessierte Japaner, ob Kinder oder Erwachsene, neben dem Katechismus auch Lesen und Schreiben und im gewissem Maße auch Naturwissenschaften kennen lernen konnten.

Der Aufstand von Shimabara 1637/38 gilt als größte Rebellion unter dem Tokugawa-Shogunat. Am Ende siegte die übermächtige Armee des Shoguns. 37.000 Christen wurden geköpft…

Ich habe in den beiden oben genannten Romanen mit gekämpft, gebangt und gelitten. Diese Geschichte war auch ein Grund meiner Reiseplanung nach Nagasaki zu fahren.

Also ging es mit der Limited Express der JR von Nagasaki nach Isahaya. Dort wechselten wir in einen der privaten Shimabara-tesudō-Züge. Alles lief perfekt, wie wir es von der japanischen Eisenbahn gewohnt waren. Leider spielte aber das Wetter nicht mit! Regen, Regen und immer wieder Regen! Dabei fährt der Zug von Isahaya bis Shimbara immer an der Ariake-See entlang. Manchmal reichen die Wellen fast bis ans Gleisbett. Also konzentrierten wir uns auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, wie die Burg Shimabara-jō.

Stadt

Vom Bahnhof Shimabara waren es nur ein paar hundert Meter bis zur Burg. Lange blieb sie unseren Blicken verborgen. Um so beeindruckender war dann ihr Erscheinen. Groß und mächtig. Weiß und trotz der Größe irgendwie filigran. Ringsherum liegen Lotusteiche und eine 4 km lange massive Steinmauer umschließt das Burgareal. Die Burgmauer ist heute mit Grünzeug überwuchert und in den Wassergräben schwimmen hunderte Kois. Übrigens auch ein Zeichen für die hervorragende Wasserqualität in Shimabara.

Diese Burg ist eine Rekonstruktion von 1964 und wird als Museum genutzt. In den 5 Stockwerken wird die Geschichte der Burg und sehr ausführlich die Geschichte der Christianisierung dieser Region erzählt. Erfreulich ist der Umstand, dass es sehr viele englischsprachige Erläuterungstafeln zu den Exponaten gibt. Außerdem gibt es dazu noch QR-Codes, mit denen man auch Sprachtexte abrufen kann. Ich war von all dem sehr beeindruckt. Welche Schicksale haben sich in diesen Mauern und dem Umfeld der Burg abgespielt. Dank des Romans „Amakusa Shiro - Gottes Samurai“ hatte ich immer ein buntes Kopfkino parat.

Bei aller Dramatik, die ich in dieser Burg sah, musste ich noch eine Sehenswürdigkeit besuchen. Das tat ich um so lieber, als dass es dort auch etwas zum Essen gab, denn es war inzwischen bereits 13.00 Uhr geworden. Ich meine das berühmte uralte Lokal Himematsu-ya, das sich direkt gegenüber der Burg befindet und in dem Shimabaras berühmte Gericht „guzōni“ angeboten wird. Dieses Gericht ist eine klare Brühe mit mochi (Klebreiskuchen), Meeresfrüchte und Gemüse.

Dieses Gericht ist aus der Not von den belagerten Christen in der Burg entwickelt worden, um so lange wie möglich der Belagerung standzuhalten. Später wurde dann das ursprüngliche sehr einfache Gericht etwas verfeinert. Die Grundzutaten sind aber geblieben.

Stadt
Keramik

Als ich wieder im Shimabara-tesudō-Zug sitze, bin ich immer noch mit meinen Gedanken in der Burg und den Geschehnissen von 1637. Ein langer, stiller Nachklang. In dem Roman „Schweigen“ von Shūsaku Endō stellt sich Pater Rodrigues die immerwährende Frag: wie kann Gott zu all dem schweigen?

Als ich im Atombombenmuseum in Nagasaki stehe und diese Wucht der Ereignisse vom 09.08.1945 geradezu körperlich spüre, stelle auch ich mir diese Frage. Doch dieses unfassbare Leid war menschengemacht! Unnötig, menschenverachtend bis heute ungesühnt!
Doch das ist eine andere Geschichte.